Ich bin zwar noch ein junges Mitglied des Stadtrates, doch eins der ältesten an Lebensjahren. Noch in den letzten Jahren des 2. Weltkrieges geboren, habe ich aus Erzählungen meiner Eltern und Verwandten viel erfahren über den Beginn des Hitlerregimes in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Deswegen bin ich um so mehr erschrocken, dass mit den gleichen primitiven Parolen gegen Fremde und Andersgläubige rechtes- und ausländerfeindliches Gedankengut wieder verbreitet wird. SÜGIDA ist eindeutig und nachweislich von Rechten und Neonazis organisiert und Suhl wird von ihnen zum Aufmarschplatz für ihre rechte Gesinnung gemacht.
Ich habe mich an einem Montag durch die Polizeiabsperrungen geschlichen, um den Aufmarsch aus nächster Nähe zu erleben. Wer nur schreien kann "Volksverräter", "Lügenpresse" und "Wir sind das Volk" - mit diesen sogenannten Repräsentanten des Volkes möchte ich nichts zu tun haben. Das macht mir sogar Angst.
Noch erschreckender war für mich ein Transparent: "und nachher Zigeunerschnitzel"!!!!
Ich habe nichts gegen Zigeunerschnitzel. Jeder von uns wird es schon mal gegessen haben - Aber dieses Transparent in den Händen von ausländerfeindlichen Neonazis - da wurde mir ganz übel!!!
Weiterhin war ich schockiert über die große Anzahl von Jugendlichen auf dem Platz der Einheit. Warum laufen sie gerade den Neonazis nach - ist es Unwissenheit oder Dummheit oder Beides?
Ich habe nichts gegen die berechtigten Sorgen und Ängste vieler Mitbürger, die wegen ihrer Unzufriedenheit, ihre Politikverdrossenheit und z.T. ihres sozialen Abstieges wegen auf die Straßen gehen. Ich bin es 1989 auch.
Ich habe aber ganz entschieden etwas dagegen, wenn mit neonazistischer Propaganda Hass gegen Fremde, Andersdenkende und Schwache geschürt wird.
Suhl hat einen guten Ruf als weltoffene, ausländer- und touristenfreundliche Stadt.
Wollen wir diesen guten Ruf verlieren? Ich weiß, Suhl hat auch den Ruf einer "Roten" Stadt - und das schon seit 100 Jahren (siehe Spruch am Rathaus). Aber mir ist der Ruf einer roten Stadt lieber als der einer braunen.
Ich habe schon Anrufe von Freunden bekommen mit der Frage: Was ist denn los in eurem braunen Suhl??? Suhl soll bunt sein und bunt bleiben - aber auf Braun kann ich verzichten.
Ich bitte deswegen die Stadträte aller Fraktionen, diese Gemeinsame Erklärung des Stadtrates zu verabschieden.
Wenn wir uns nicht eindeutig und klar gegen SÜGIDA bekennen, werden wir Stadträte unglaubwürdig gegenüber unserer Verpflichtung, alles für das Wohl unserer Stadt und ihrer Bürger zu tun.
Dr. Wolfgang Wurschi, Stadtrat Freie Wähler Suhl